Die Eissenfresser von Alang Indien.
Mit bloßen Händen zerlegen die "Eisenfresser" Frachtschiffe, Luxusdampfer und Öltanker: Arbeiter in der größten Abwrack-Zone der Welt, in Chittagong, im Süden Bangladeschs.
ES ist die Verzweiflung, die sie diesen Job annehmen lässt. Für die Männer aus dem Norden Bangladeschs, wo es kaum Arbeit gibt und der Hunger allgegenwärtig ist, sind die Strände um Chittagong im Süden des Landes die letzte Hoffnung. Hier werden immer Arbeiter gebraucht in den Abwrackwerften, wo die gigantischen, verrosteten Containerschiffe und Luxus-Liner auseinander genommen und zu Schrott gemacht werden.
Stählerne Ruinen stecken im Öl durchtränkten Sand, und die Arbeiter zersägen sie, schweißen und schleppen, balancieren auf scharfkantigem Metall. Barfuß meist, ohne Handschuhe, Schutzkleidung oder gar Atemschutz. Immer wieder kommen Menschen zu Tode, man findet sich damit ab. Der Schrott ist eine gute Handelsware, er ist viel wert hier. Die Arbeiter sind es nicht.
Schwere Lasten werden auf den Schultern einer Gruppe ausgemergelter Männer durch einen Morast getragen. Im Chor singen sie stoßweise ein monotones Lied. Sie sind barfuß und wanken mehr, als dass sie richtig gehen würden. Einige der Männer haben die Augen vor Überanstrengung schon halb geschlossen. – Genug. Was der Beschreibung nach eine gestellte Szene mittelalterlicher Sklavenarbeit sein könnte, ist bittere bengalische Realität im 21. Jahrhundert.
Die jährlich wiederkehrende Hungersnot im Norden Bangladeschs zwingt Bauern und andere Landbewohner, ihre Heimatdörfer zu verlassen, um als saisonale Arbeitskräfte auf den Schiffsabwrack-Werften im Süden des Landes anzuheuern. An den Stränden von Chittagong zerlegen sie in Handarbeit ausgemusterte Tanker und Containerschiffe aus den Industrieländern. Seit den 60er Jahren haben einige Abwrackunternehmen den einheimischen Markt der Stahlweiterverwertung unter sich aufgeteilt und beschäftigen jährlich mehrere Tausend billigster Arbeitskräfte. Bangladesch deckt durch das Abwracken 80 Prozent seines landesweiten Stahlbedarfs.
Es ist ein apokalyptisches Szenario. Menschen stapfen knietief vor monströsen Riesen aus Stahl im Schlamm herum. Sie wirken verloren und hilflos inmitten der gigantischen Felder aus Schrott. Ihre Aufgabe scheint nicht erfüllbar zu sein, und doch zerlegen sie Jahr für Jahr ausgediente Ozeanriesen, die etwa ein Leergewicht von 650.000 Tonnen haben, in LKW-gerechte Teile.
In ihrer freien Zeit können die Männer dennoch lachen oder zumindest lächeln, und das kann beim Publikum des Films womöglich für Irritation sorgen, denn gerade im ersten Viertel des Films könnte durch lächelnde Schwerstarbeit er und stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen der Eindruck von fernöstlicher Arbeiterromantik entstehen. Dass dem nicht so ist,
Der Arbeitslohn – und auf Lohn reimt sich hier passenderweise das Wort Hohn – reicht meistens nicht einmal für das alltägliche Leben der Arbeiter aus, sodass dso gut wie alle von ihnen Schulden bei den Lebensmittelhändlern anhäufen müssen, um über die Runden zu kommen. Schnell finden sie sich in einer nach unten offenen Spirale wieder: Einerseits bekommen sie zum Beginn der Arbeitssaison von den Abwrackunternehmen eine Vorschusszahlung, damit sie Nahrung kaufen können, und andererseits wird diese Vorschusszahlung am Ende der Saison natürlich mit dem verdienten Arbeitslohn verrechnet, wobei etwaige andere Rückstände wie angehäufte Schulden bei den Händlern noch mit abgezogen werden. Oft gilt es dann noch, ein ausstehendes Minus abzuarbeiten, womit sich die tägliche Arbeitszeit von standardmäßig rund zwölf Stunden noch erhöht. Letztendlich verlassen dann viele Arbeiter die Werften genauso mittellos, wie sie sie aufgesucht haben.
Und dann so ungeheure Aufnahmen wie diese: ein letzter Zentimeter Schweißnaht wird auf dem obersten Deck durchtrennt und schon rast ein zirka 30 Meter hohes Tortenstück Schiffsrumpf kippend in die Tiefe. Die Schweißer stehen in der Hierarchie der Arbeiter zwar noch ein klein wenig höher als die einfachen Träger, doch ihr Job ist nicht minder gefährlich. In den leeren Schiffsbäuchen befinden sich neben offenen Asbestverkleidungen, Chemikalien und ausgelaufenem Öl auch oft die Gase der leckgeschlagenen Toiletteneinheiten. Neben der hoch entzündlichen Ölschicht besteht also zusätzlich auch eine Erstickungsgefahr. Der Zuschauer erlebt diese Willkür des Schicksals mit eigenem Auge, als sich in unmittelbarer Nähe des Kamerateams ein Feuer rasend schnell ausbreitet.
Nicht geringer ist die Lebensgefahr für die Arbeiter und Träger, die, wie erwähnt, barfuß durch den mit scharfkantigem und/oder heißem Stahlschrott waten und sämtliche Zerlegung arbeiten von Hand erledigen, wo andernorts bereits Maschinen eingesetzt werden. Und trotz der geringen Bezahlung und der immensen Gefahr für Gesundheit und Leben kehren jedes Jahr viele tausend Arbeiter zurück in die Abwrackwerften an der Küste von Chittagong, weil sie keine anderen Möglichkeiten zum Geldverdienen sehen.